Stress und Burnout

Stress und Burnout

Aus Sicht der Existenzanalyse ist Burnout die Folge einer nicht-existentiellen Haltung zu meinen Tätigkeiten.

Was heißt das, nicht-existentielle Haltung?

Ich führe meine Tätigkeiten nicht deshalb aus, weil ich den darin enthaltenen Wert spüre und mich von diesem ziehen lasse. Sondern meine Tätigkeiten dienen einem Zweck. Dies kann auch verdeckt passieren, ohne dass die pure Zweckgerichtetheit offensichtlich wird. Manchmal tarnt sich der Zweck durch einen hohen Wert, der mir nur gedanklich nahe ist. Doch allein rationale Überlegungen spenden nicht die Kraft, die einem durch ein erfülltes Tätigsein geschenkt wird. Und so lauge ich mehr und mehr aus.

Wie kann es passieren, dass mir die Verbindung zum Wert und damit die Kraft zum Leben fehlt?

Die Ursache liegt darin, dass etwas in mir ständig beruhigt werden muss. Diese innere – auf den ersten Blick unsichtbare – Not kann unterschiedlicher Natur sein. Vielleicht fühle ich mich nicht gehalten in dieser Welt. Dann lässt mich eine unterschwellige Angst oder Sorge zu strukturiert, zu genau, zu perfekt werden, um ja nur immer Halt im Leben zu spüren. Getarnt ist mein Perfektionsanspruch durch den Wert der guten Qualität, der Ordnung, Sauberkeit, was ja in der Tat schöne Werte sein können. Nur, die kunstvoll ausgeführte Arbeit, das blitzblank geputzte Haus, die perfekt sortierten Ordner, all das gibt nur einen kurzen Moment der Genugtuung, und dann muss die Angst oder Sorge schon wieder von neuem beruhigt werden.

Vielleicht ist aber auch das Wissen um meinen eigenen Wert nicht sehr tief verwurzelt. Eine unterschwellige Befürchtung, eigentlich nicht wirklich gemocht zu werden, nicht einen Wert unabhängig von meiner Leistung zu haben, lässt mich dann nach ständiger Bestätigung suchen, dass ich keine Belastung bin. Ich fühle mich verpflichtet zu etwas. Meine Tätigsein wird dann mehr von Verpflichtungen getrieben als von dem Wertvollen angezogen, das ich tatsächlich in meinem Getriebensein schaffe.

Vielleicht ist es aber auch mein Selbstwert im Sinne meines ganz Eigenen, das ich in die Welt bringe, der angeschlagen ist. Die Wertschätzung, die uns andere entgegen bringen, versickert dann wie in einem Fass ohne Boden. Wir brauchen so viel davon, dass unser Tätigsein hauptsächlich von Karrierechancen oder Glänzen-Wollen angetrieben ist.

Vielleicht habe ich aber auch grundsätzlich mein Leben nie in einem wirklichen Sinnzusammenhang gesehen und mich immer nur von Ideologien, die mir gedanklich logisch erscheinen, treiben lassen.

In allen vier Fällen sind es nicht Werte, deren anziehende Kraft ich unmittelbar spüre und mich in meinem Tätigsein leiten, sondern es sind Bedürftigkeiten, die mich treiben. Das erste würde Kraft spenden und Erfüllung bringen. Letzteres fühlt sich an wie gefangen in einem Hamsterrad.

Wie aus dem Hamsterrad herauskommen?

Der erste Schritt ist, sich selbst verstehen. Meine Bedürftigkeiten kennen. Zunächst mag das sogar etwas unangenehm sein, weil mein Selbstbild ins Wanken gebracht wird. Wenn ich dann allerdings etwas klarer sehe, was mein Tätigsein wirklich antreibt und es zu einem tiefen Verstehen kommt, beginne ich freier zu werden. Wahrscheinlich werden diese Bedürftigkeiten immer Teil von mir bleiben, aber sie nehmen nicht mehr den ganzen Raum ein. Sie lassen mir Platz, um auch das in der Welt zu spüren, was mich anzieht.

Wenn es aber die Umstände sind, die mir keinen Raum lassen?

Auch wenn manche Umstände über das übliche Maß hinaus fordernd sind und der Entscheidungsspielraum sehr klein ist, macht es einen großen Unterschied, ob ich nur damit hadere und an nicht erfüllbaren Wünschen hängen bleibe oder ob ich den unabänderlichen Teil der Realität annehme und in all den Begrenztheiten darin die für mich besten Möglichkeiten suche. Nur so kann es mir gelingen, in all dem Verworrenen und Nicht-Gewünschten das Wertvolle aufzuspüren.

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