Krebs / Chronische Erkrankung

Krebs / Chronische Erkrankung

Eine chronische Erkrankung und ganz speziell eine Krebsdiagnose stellt das Leben auf den Kopf. Zu den ganzen Widerfahrnissen, die das Leben sowieso schon täglich für uns bereit hält, kommen nun schwerste Belastungen hinzu.

Und dennoch kann eine Erkrankung auch als Chance begriffen werden. Nicht in einem banalen Sinn. Krankheit an sich trägt nichts Positives in sich und schon gar nicht Krebs. Dass die Erkrankung überhaupt das Potential dazu hat, zu etwas Positivem zu werden, liegt nicht in der Erkrankung begründet. Sondern darin, dass ich gezwungen werde, mich mehr mit der Kunst zu leben auseinanderzusetzen.

Wenn ich auf einem ruhigen, trägen Fluss dahin treibe, brauche ich mir keine großen Gedanken um mein Boot und meine Paddeltechnik zu machen. Doch wenn die Stromschnellen kommen, dann frage ich mich, ob ich denn die richtige Ausrüstung dabei habe und wie es denn mit meiner Kunst, das Boot zu steuern, steht. So wie die Kunst, ein Boot durch Stromschnellen zu steuern, nicht rein funktional ist, sondern mir viel geben kann – wohl kaum jemand würde sich dem sonst freiwillig aussetzen – so ist die Kunst zu leben um vieles mehr nicht einfach nur funktional. Umso mehr ich diese Kunst ausbilde, um so stimmiger und sinnerfüllter wird mein Leben.

So kann das Paradox eintreten, dass gerade in dem Moment, in dem sich ein Abgrund auftut und mir soviel Schweres und Unerwünschtes begegnet, die Weichen auch zu etwas Positivem gestellt werden.

In dem Menschenbild der Existenzanalyse kann die Kunst zu leben zusammengefasst werden als ein vierfaches Ja: die Zustimmung zu dem unabänderlichen Teil der Realität, die Zustimmung zum Leben an sich, die Zustimmung zu meinem eigenen So-sein und die Zustimmung zu meinem Handeln. Aus diesem vierfachen Ja resultiert, dass ich die sich mir bietenden Möglichkeiten klar sehe, ich mich lebendig fühle, mich vertreten kann und Sinn in meinem Leben finde.

Doch auch hier haben wir es wieder mit einer widersprüchlichen Situation zu tun. Für die auf dem ruhigen Fluss Dahintreibenden mag es ein Leichtes sein, der Realität zuzustimmen und gleichzeitig ist es gar nicht so wichtig für sie. Irgendeine aus der Fülle an Möglichkeiten wird sich schon aufdrängen. Bin ich dagegen in den Stromschnellen gefangen, muss ich genau hinsehen, wo meine Möglichkeiten liegen und welche die für mich besten sind. Aber gerade mir wird es schwer fallen, dieser gefährlichen Realität zuzustimmen. Viel wahrscheinlicher ist es, dass ich mich dagegen auflehnen möchte und das ruhige Wasser zurückwünsche. Und schon entgehen mir die Möglichkeiten und damit letztendlich auch der Sinn.

Eine existenzanalytische Begleitung richtet sich somit auf die existentiellen Themen des Menschen: Dasein-Können trotz meiner Begrenztheiten, das eigene Leben mögen trotz dem vielen Nicht-Zu-Mögenden, sich selbst sein dürfen und Sinn im Leben finden trotz allem.

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